ES GEHT WEITER MIT DEN "TAGTRÄUMEN" ...

 

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Mama, kommst du mal bitte? Ich finde meine rote Jeans nicht. Wo kann sie wohl stecken?“ Ulla musste sofort schmunzeln, als sie ihre Tochter fast schon verzweifelt rufen hörte. Isa wusste an sich immer ganz genau, wo ihre Sachen lagen, oder hingen, aber diese verflixte rote Jeans schien ein Eigenleben zu haben. Sicher lag sie wieder in irgendeiner Ecke, in die Tiger sie geschleppt hatte. Nun, es gab Dinge, die ändern sich nie. Gott sei Dank gab es aber auch viele Dinge, die sich änderten. Dazu gehörte ihr Gesundheitszustand, der sich in den letzten Monaten erheblich gebessert hatte. Nach ihrem Krankenhausaufenthalt musste Ulla ein bisschen kürzer treten, der Schwächeanfall hatte ihr gezeigt, dass ihre Seele eine Pause brauchte. Denn wenn der Körper schreit, hat die Seele fast schon ausgeweint. Ulla wusste das und wollte von nun an sorgsamer mit sich umgehen. Das hatte sie ihrem Mann Tom versprochen, aber auch in erster Linie sich selbst. Schließlich hatte sie eine großartige Familie, die sie über alles liebte. Tom, ihren ehrgeizigen Ehemann, Jonathan, genannt Jon, aus ihrer ersten Ehe und Isabel, genannt Isa, die alle in ihr Herz geschlossen hatten. Dann war da noch Tiger, der Hauskater, der alle manchmal ganz schön auf Trab hielt, aber ansonsten seiner Wege zog. Alles in Allem war Ulla sehr zufrieden mit ihrem Leben, nur dass die Vergangenheit sie manchmal einholte. Ihr passte das natürlich nicht und sie hatte auch schon einige Therapien hinter sich, aber manches blieb halt doch im Verborgenen. Darum hatte sie beschlossen, sich nun endlich mit ihrer Mutter auszusprechen, wenn diese dazu bereit war. Ulla schob das Telefonat immer wieder hinaus, von Angesicht zu Angesicht wäre es sicher leichter. Da ihre Mutter aber schon viele Jahre in Amerika lebte, war das alles nicht so einfach zu bewerkstelligen. Ulla war jedoch fest entschlossen und gleich heute Abend würde sie ihre Mutter anrufen. Egal, was daraus wurde. Den Kopf konnte sie ihr schließlich nicht abreißen. Dabei musste Ulla schmunzeln, wird schon klappen, sie hatte anderes geschafft.

 

Mama, bitte ...“ „Ich komme, bin auf dem Weg.“ Ulla ging ins Kinderzimmer ihrer kleinen Tochter. Wie immer war sie überrascht, welche Unordnung dort herrschte. Isa konnte prima aufräumen, wenn sie es wollte, aber im Chaos gefiel es ihr auch. Nun aber war die Kleine verzweifelt, weil sie unbedingt die rote Jeans anziehen wollte, und die war einfach nicht zu finden. Dabei fing der Kindergarten gleich an, Isa wollte nicht zu spät kommen, das war so gar nicht ihre Art.

 

Wo hast du denn schon nachgesehen?“

 

Ach Mama, überall, einfach überall. Die Hose ist wie vom Erdboden verschluckt. Weißt du? Wie bei diesen Erdbeben.“

 

Ulla konnte die Verzweiflung ihrer Tochter körperlich spüren, aber mehr als suchen, konnte auch sie nicht. Es war aber nichts zu machen, die Hose blieb spurlos verschwunden.

 

Weißt du mein Engel, wir suchen dir jetzt eine andere Hose. Später wird die Rote schon wieder auftauchen. Vielleicht hat Tiger damit zu tun, wer weiß das schon.“ Isa maulte zwar ein bisschen herum, aber schließlich stimmte sie zu, denn sie wollte doch unbedingt pünktlich sein. Außerdem war die blaue Hose mit den pinken Streifen ja auch ganz passabel, nur war es eben heute nicht ihre Lieblingshose. Aber manche Dinge konnte man eben nicht ändern, das hatte Isabel in ihrem kurzen Leben schon sehr gut begriffen.

 

Wollen wir mit dem Fahrrad in den Kindergarten fahren? Es ist ein schöner Tag und ich könnte dann gleich weiter zum Markt.“ Isa war einverstanden, aber sie wollte nicht selbst fahren, sondern lieber mit Ulla vorne auf dem kleinen Sattel. Das war so bequem und machte Isa immer viel Spaß. Ulla schmunzelte in sich hinein. Machte es doch auch ihr viel Freude, dass die Kleine noch bei ihr mitfahren wollte. Bald wäre es sowieso vorbei, die Zeit rann so schnell, dass man manches Mal gar nicht hinterher kam. Also machten sie sich auf den Weg und nachdem Ulla ihre Tochter am Kindergarten abgesetzt hatte, Gott sei Dank noch pünktlich, fuhr sie weiter zum Marktplatz, um ihre Einkäufe zu tätigen. Da sie hier seit Jahren einkaufte, kannte sie fast alle Verkäufer persönlich, und so blieb es nicht aus, das auch viel geplaudert wurde. Ulla liebte das, es gab ihr ein Gefühl von Geborgenheit, ja sogar von Familie. Das war auch ein Grund, warum sie eigentlich nicht von hier wegziehen wollte. Andererseits wäre ein Haus auf dem Lande, also zumindest etwas außerhalb der Stadt , auch nicht schlecht. Aber so richtig konnte sich Ulla noch nicht durchringen, wenngleich sie es Tom im Krankenhaus damals selbst vorgeschlagen hatte. Aber Schuld daran waren wohl ihre Träume, denn jetzt, hier in der Realität, sah alles schon wieder ganz anders aus. Tom war es letztlich egal wo sie wohnten. Hier in der Stadt war es einfach und praktisch für ihn, denn so war er schnell im Verlag, wenn es nötig war. Bis zu einer Stunde Fahrzeit würde er aber in Kauf nehmen, das hatte er Ulla versprochen. Nur, dass er dann länger von zu Hause weg war, mittags nicht zum Essen kommen könnte und abends, nun, da würde es natürlich auch später werden. Ulla musste noch überlegen, ob es das wert war. Die Kinder fühlten sich hier wohl, Jon hatte seine Schule, Isa ihren Kindergarten. Die Wohnung hatte genug Platz für alle, Ulla hatte sogar ein Bügelzimmer, indem sich auch ein großer Keiderschrank befand. An sich war das ihr begehbarer Kleiderschrank, aber das war ihr Geheimnis. Wenngleich auch ein offenes, wie Tom manchmal schelmisch bemerkte.Sie lebten hier mit weiteren fünf Familien und teilten sich einen Garten im hinteren Bereich und eine Tiefgarage. Die Nachbarn waren alle sehr nett, besonders die alte Dame im Erdgeschoss, Frau Berg, war ihnen sehr zugetan. Das beruhte auf Gegenseitigkeit, besonders die kleine Isabel besuchte die Nachbarin immer gerne, weil diese so viele wunderbare Geschichten kannte. Bei Keksen und Kakao konnte Isa stundenlang zuhören. An sich die besten Voraussetzungen, um wieder eine Arbeit aufzunehmen, nur müsste sich endlich mal im Klaren sein, was sie wollte. Und das war, wie gesagt, genau das Problem. Ulle verschob es einfach mit den Gedanken, dass Morgen ein anderer Tag wäre. Man würde sehen.

 

Nachdem Ulla nun ihre Einkäufe erledigt hatte, gönnte sie sich noch einen Kaffee bei Diego, der mit seiner Frau Laura ein kleines Eiscafé genau am Marktplatz führte. Sie kannte die beiden schon viele Jahre und es war inzwischen eine Freundschaft entstanden. Ulla seufzte, das würde sie dann auch vermissen, wenn sie aufs Land zogen.

 

Was ist den los mit dir Amica? Du seufzt ja, als wäre ein Fels auf deinem Herzen.“

 

Ach Laura, so schlimm ist es sicher nicht, aber ich mache mir gerade mal wieder Gedanken darüber, ob wir nicht doch aufs Land ziehen sollten.“

 

Ach so, das Thema des Tages, mal wieder:“ Laura lachte und zeigte dabei ihre strahlend weißen Zähne, und dann umarmte sie Ulla herzlich.

 

Dann trink erstmal ein Café con latte, wirst sehen, schon geht es leichter mit der Denkerei.“ Ulla mochte Laura wirklich von Herzen gern. Die Italienerin war an sich immer gut drauf und nahm das Leben nicht so schwer. Das bewunderte Ulla an der südländischen Lebensart, diese Leichtigkeit, diesen Humor und diese Herzlichkeit. Obschon auch Laura und Diego ihr Päckchen zu tragen hatten, wie alle Menschen im Leben. Gerade kürzlich gab es wieder Ärger mit dem Ordnungsamt, wegen der Tische und Stühle auf dem Vorplatz, die wohl einen halben Meter zu weit auf dem Marktplatz ragten. Und bei schlechtem Wetter, also Regen und Kälte, blieben die Kunden natürlich aus, das war dann bitter für die fünfköpfige Familie aus Italien, die nun schon seit mehr als zehn Jahren hier in lebten. Aber immer wieder schafften sie es, und die Familie hielt zusammen. Manchmal waren auch die Freunde gefordert, aber das taten diese gerne. Auch Ulla hatte schon mal ausgeholfen, als Laura für einige Wochen wegen Krankheit ausfiel. Gott sei Dank hatte Laura alles gut überstanden, und der Krebs war nicht wieder aufgetaucht. Darüber war Ulla sehr froh, denn sie wusste genau, was Laura durchgemacht hatte. Sie selbst wäre vor ein paar Jahren fast an einem bösartigen Tumor in ihrer Brust gestorben. Aber da Ulla eine Kämpferin war, genau wie Laura, hatte sie überlebt. Schrecklich war es trotzdem, auch für die Familien. Manches musste man dann aber auch abhaken, sonst verfolgt es einen und lässt keinen Frieden ins Leben ziehen. Und Frieden wünschen wir uns doch alle, bleibt nur die Frage, warum es dann keinen gibt. Also global gesehen. Ulla war, ohne es zu merken, schon wieder einmal abgeschweift. Als Laura ihr den Café brachte, trank sie ihn dankbar und plauderte noch ein Weilchen mit ihrer Freundin.

 

Ulla hatte ihr Fahrrad gerade in die Garage geschoben, da läutete ihr Telefon. Nach einigem Suchen in ihrer Handtasche konnte sie das Gespräch entgegen nehmen.

 

Hi Susan, schön, dass du dich meldest. Ich wollte dich auch noch später anrufen. Nun bist du mir zuvor gekommen.“

 

Meine liebe Freundin, das nennt man Gedankenübertragung, oder!“ Beide lachten schallend, denn so etwas erlebten sie öfter. Sie hatten eben eine wirklich gute und tiefe Verbindung, die in der gemeinsamen Studienzeit begonnen hatte. Im Gegensatz zu Ulla war Susan immer noch ledig und hatte sich voll auf ihren Beruf konzentriert. In ihrer Werbeagentur war sie das beste Pferd im Stall, wie ihr Chef immer zu sagen pflegte. Susan sah das aber sehr realistisch, denn heute warst du oben und morgen konntest du schon völlig weg sein vom Fenster. Immer auf dem Laufenden bleiben und kreativ sein, mehr als alle anderen, das war die Devise. Auch darum hatte Ulla immer wieder große Zweifel, ob sie überhaupt noch einmal wieder den Anschluss an das Berufsleben in ihrer Profession finden könnte. Susan versuchte sie zwar immer zu bestärken, aber Ulla blieb skeptisch. Außerdem wusste sie ja auch noch gar nicht, ob sie das überhaupt wollte. Dieser tägliche Stress, diese andauernde Herausforderung immer eine gute Idee im Kopf … da konnten einem schon mal die Pferde durchgehen. Das war bei Ulla dann in Form eines Nervenzusammenbruchs geschehen, von dem sie sich langsam erholt hatte. Doch dieser Ausfall war nur die Spitze des Eisberges. Ullas Seele hatte schon jahrelang geweint, aber sie nahm es nicht zur Kenntnis , bis ihr Körper streikte und der Krebs einzog. Ulla grauste es jetzt noch, wenn sie an die Zeit zurück dachte.

 

Lass uns doch heute Abend zu Manolo gehen. Bei einem guten Essen plaudert es sich leichter.“ An sich war es immer Susan, die Ulla zu einem Treffen einlud. Auch, wenn sie selbst wenig Freizeit zur Verfügung hatte. Sie verstand einfach manchmal nicht, warum ihre Freundin nicht ein kleines bisschen flexibler war, wo sie doch schließlich den ganzen Tag im Hause verbrachte. Sicher, sie hatte zwei Kinder, aber die waren vormittags im Kindergarten und in der Schule, und abends lagen die Kleinen friedlich in ihren Betten und schliefen. Tom kam abends an sich meistens pünktlich nach Hause, was also hielt Ulla ab? Susan stellte sich wieder einmal auf eine längere Diskussion ein und war bereit, sich durchzusetzen.

 

Ja gerne, ich freue mich. Sagen wir gegen acht Uhr? Passt dir das?“ Susan traute ihren Ohren nicht, war aber total erfreut und so beendeten die beiden Frauen ihr Gespräch.

 

Ulla schleppte ihre Einkäufe in die Küche und wurde stürmisch von Tiger begrüßt. Der Kater wusste sehr wohl, dass ihm gleich ein Leckerbissen serviert wurde, so etwas roch er. Und tatsächlich packte Ulla einen kleinen Hering in den Fressnapf, über den er sich schleunigst hermachte. Mit Genuss wohlgemerkt, denn Tiger war eine Schlemmerkatze, wie Tom immer zu sagen pflegte. Oft scherzte er auch, dass sie eigentlich drei Kinder zu versorgen hatten, was Ulla immer zum Lachen brachte. Überhaupt war Tom ein durch und durch positiver und fröhlicher Mensch und Ullas Fels in der Brandung. Seit sie mit Tom zusammen war, ging es ihr zunehmend besser. Ihre Stimmungsschwankungen waren nicht mehr so heftig, ihre Selbstzweifel auf ein geringes Maß reduziert. Bis eben auf die berühmten Ausnahmen, die gab es ja immer irgendwie. Obschon Ulla eine Psychoanalyse absolviert hatte, blieb ein Rest des Geheimnisses verborgen. Sie war an sich auch froh darüber, denn manche Dinge blieben besser im Verborgenen, wenn ein Auftauchen keine wirkliche Besserung versprach. So sah sie das heute, damals wollte sie unbedingt alles bis ins Kleinste analysieren. Inzwischen hatte sie aber begriffen, dass jeder sein Schicksal auch selbst in die Hand nehmen musste. Genau in diesem Moment hatte sie Tom kennengelernt und sich schnell in ihn verliebt. Der große und starke, selbstbewusste und erfolgreiche Verleger Tom Wagner. Mein Gott und wie gut er aussah! Ulla konnte es erst gar nicht glauben, dass sich dieser interessante Mann ihr zuwandte. Doch genau das tat er, weil er sich auf den ersten Blick in Ulla verliebte. Ihre meerblauen Augen versprachen so viel, das erkannte Tom sofort. Entgegen allen Klischees sah er den Frauen zuerst in die Augen, auch wenn ihm das niemand so recht glauben wollte. Erst an zweiter Stelle kamen die Beine und die waren bei Ulla lang und hatten genau die ausgeprägten Waden, die Tom so sehr mochte. Für ihn passte einfach alles, da nahm er die kleinen psychischen Schwierigkeiten, die sich ihm später präsentierten, gerne hin. Also sprach er diese wunderbare Frau an und verabredete sich am nächsten Tag mit ihr zu einer Tasse Kaffee. Dort wollten sie dann auch die Kleinigkeiten besprechen, die Tom für eine Werbekampagne seines Verlages im Auge hatte. Er war so froh, dass er sich aufgerafft hatte die kleine Werbeagentur aufzusuchen. Normalerweise hatte er im Verlag Leute, die sich kümmerten, aber dieses Mal wollte Tom etwas Besonderes. Also entschloss er sich, entsprechende Schritte zu unternehmen. Schnell fiel ihm im Internet eine Agentur auf und er vereinbarte sofort einen Termin. Als er ins Büro marschierte, wusste er noch nicht, dass er gleich der Liebe seines Lebens begegnen würde. Er war ja auch nicht auf der Suche, also frei von Gefühlen, die ihm die Sicht versperren könnten. Und so geschieht es dann im Leben. Wenn wir an nichts denken und uns freimachen von allen Zwängen, fliegt das Schicksal mit uns im hohen Bogen in den Himmel. Den irdischen wohlgemerkt. Ulla erging es da nicht anders, denn sie hatte sich von ihrem Mann Jan getrennt, in gegenseitigem Einvernehmen, friedlich, und nun lebte sie mit ihrem Sohn Jonathan in einer kleinen zwei Zimmer Wohnung genau über der Agentur, in der auch ihre Freundin Susan beschäftigt war. Jon sah nach der Schule bei ihr rein und ging dann nach oben, um seine Hausaufgaben zu erledigen. Auch wenn er gerade erst eingeschult worden war, nahm er seine Sache sehr ernst. Ulla liebte ihren Sohn abgöttisch, war er doch alles, was ihr vom Traum einer Familie geblieben war. Sie ging ihrer Arbeit nach und verbrachte die Freizeit weitgehend mit Jonathan. Manchmal traf sie sich abends mit ihrer besten Freundin Susan auf ein Glas Wein, mehr brauchte Ulla nicht. Dachte sie zumindest. Bis diese traumhafte Gestalt von Mann bei ihr im Büro auftauchte und sie vom ersten Moment an fesselte. Gab es so etwas doch? Liebe auf den ersten Blick? Ulla musste schmunzeln, als sie an diese Zeit zurück dachte. Das war jetzt fast fünf Jahre her und doch war es ihr bildlich vor Augen, als wäre es gestern gewesen. Damals ging dann alles so schnell, dass ihr manchmal schwindelig wurde, vor Glück.

 

 

... bin dabei, es läuft. Liebe Grüße vom PC. ☼

 

Hier die nächsten Seiten...viel Spaß!

 

Au!“ fast hätte Ulla sich in den Finger geschnitten. Das ging noch einmal gut. Sie sollte sich doch wohl mal besser auf das Zubereiten des Mittagessens konzentrieren, sonst gab es heute noch Blut im Salat, nicht Jedermanns Sache. Bei diesem Gedanken musste Ulla plötzlich schallend lachen. Zur Vorsicht legte sie lieber das Gemüsemesser beiseite und lachte den Lachanfall erstmal weg. Aus Erfahrung wusste Ulla, dass das dauern konnte. Hatte sie angefangen, gab es so schnell kein Halten mehr. Auch wenn sie meistens Bauchschmerzen bekam. Vor Lachen. Aber sie lachte doch so gerne, was waren da ein paar Stiche, die schnell wieder vergingen? Nichts, rein gar nichts. Nach ein paar Minuten konnte sie dann weiter schnippeln, immer noch mit einem Schmunzeln im Gesicht. Mit einem Zwinker im Auge geht nichts weg, aber es wird leichter. Das hatte Ulla in ihrem Leben wiederholt festgestellt. Vor ein paar Jahren, als es ihr sehr schlecht ging und sie völlig verzweifelt war, gab ihr ein Freund einen Tipp, den Ulla sofort umgesetzt hatte.

 

Schau einfach in den Spiegel und fang an zu lachen. Einfach weiter laut lachen, egal, wie du dich fühlst. Nach einiger Zeit wird dieses Lachen wirklich, also ernsthaft lachhaft, du wirst sehen.“

 

Ulla war total skeptisch, vertraute aber diesem alten Freund. Und siehe da, es klappte. Wie durch ein Wunder fühlte sie sich so erleichtert, dass sie fast glaubte, schweben zu können. Also wurde dieses Spiegellachen so eine Art Therapie für Ulla. Sie war ihrem Freund heute noch dankbar, obwohl der Kontakt schon lange abgebrochen war. Schade war das schon, aber nachdem Ulla verheiratet war, also damals mit Jan, verlor sich der Kontakt, ohne dass sie es zuerst richtig bemerkt hatte. Als dann noch Jonathan auf die Welt kam, sah sie ihren guten Freund nie wieder. Manchmal dachte sie, dass er sich eventuell mehr als nur Freundschaft vorgestellt hatte, aber nein, an sich gab es dafür keine Anzeichen. Auf jeden Fall hatte Ulla keine bemerkt und nun war es sowieso egal, nach so vielen Jahren. Aber die Erinnerung blieb eben im Herzen, dafür war Ulla dankbar,

 

 

 

Mama, ich habe Hunger wie ein wilder Bär im Wald. Was gibt es zum Essen?“ Jonathan stürmte in die Küche, zuvor hatte er seinen Ranzen im Flur abgestellt. Geparkt, wie er immer zu sagen pflegte, der kleine Schlingel. Ulla begrüßte ihren Sohn mit einer Umarmung, die er sich auch gefallen lies. War ja außer der kleinen Schwester niemand im Raum, dann durfte sie das. Aber wenn sie sich in Gesellschaft befanden, dann konnte Jon fuchsteufelswild werden, eben wie ein Bär. Ulla lächelte in sich hinein, nicht dass ihr Sohn sich ausgelacht fühlte. Das würde ihn tief verletzen. Ulla konnte sich gut an ihre eigene Kindheit erinnern, damals, als sie oft von den Erwachsenen belächelt wurde. Heute sah sie es anders, aus der Perspektive des Erwachsenen eben, aber früher hatte sie sich oft gegrämt.

 

Tja, ich weiß nicht so recht. Auf was hättest du denn Appetit?“

 

Mensch Mama, soll das etwa heißen du hast noch nix im Topf? Ich dreh durch, echt jetzt.“ Es war Ulla hin und wieder ein Vergnügen ihren Sohn aufzuziehen, denn natürlich war alles bereit. Isabel saß schon längst in ihrem heißgeliebten Kinderstuhl, wobei sie eigentlich schon zu groß für ihn war. Es war wie beim Fahrradfahren. Hatte sie doch schon selbst ein Rad und konnte prima damit umgehen, wollte sie doch oftmals lieber noch bei ihrer Mutter vorne auf dem kleinen Sattel sitzen. Isa war eben gemütlich, wie Tom immer lachend bemerkte. Genau, auf Tom mussten sie natürlich noch warten, aber ansonsten war alles fertig. Erleichtert seufzte der hungrige Schüler und zwinkerte seiner Mutter zu.

 

Gott sei Dank Mama, ich dachte schon, du meinst es dieses Mal ernst. Wäre eine Katastrophe. Ah, da kommt Papa, dann können wir ja loslegen.“ Bei diesen Worten setzte sich der Knabe an den Tisch, wobei Ulla ihn gleich wieder hochscheuchte zum Händewaschen. Knurrend machte er sich auf den Weg ins Bad, nicht ohne seinen Vater zu begrüßen.

 

Na mein Sohn, wieder so voreilig? Hast wohl großen Hunger. Ich übrigens auch. Was gibt es denn Schönes mein Engel?“

 

Mit diesen Worten küsste er seine geliebte Frau und bedachte auch seine kleine Tochter mit einem Küsschen. Ulla musste wieder einmal feststellen, wie ähnlich sich Tom und Jon waren. Wäre er sein leiblicher Sohn, er könnte ihm nicht ähnlicher sein. In so vielen Dingen, und mit den Jahren wurde es immer mehr. Kein Wunder wenn man sagte, dass die Umgebung prägt. Ulla schmunzelte, wie so oft während des Tages.

 

 

 

Am späten Nachmittag rief Ulla dann endlich ihre Mutter in Amerika an. Ein bisschen flau war ihr schon im Magen, denn sie hatten seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr. Seit Katharina in die USA, genauer gesagt nach Texas ausgewandert war und ihren Freund Mark geheiratet hatte, nannte sie sich nur noch Kate. Passte auch irgendwie besser, Kate Wilson, das klang gut und amerikanisch. Mark hatte ihr diesen Namen verpasst und so war es eben geblieben. Mark selbst hatte eine deutsche Großmutter, so dass er einigermaßen der deutschen Sprache mächtig war. Kennengelernt hatten die beiden sich hier in Deutschland, da Kate eine Nachbarin von Marks Tante war, die im Gegensatz zu ihrer Schwester, Marks Mutter, nicht nach Amerika ausgewandert war. So sind sie sich eines Tages über den Weg gelaufen. Kate war vollbepackt mit Einkäufen und dieser stattliche Cowboy bot ihr liebenswürdigerweise seine Hilfe an. Es kam, wie es kommen musste, und so landete Katharina in Amerika auf einer Rinderfarm und verließ somit auch ihre Tochter. Ulla war damals sehr enttäuscht und auch verletzt. Sie konnte es einfach nicht begreifen, dass ihre Mutter so einen knallharten Schlussstrich zog. Da sie sich auch schon in der Kindheit manches Mal von ihrer Mutter verlassen fühlte, brach das ganze Elend aus, als Katharina ihr mitteilte, dass sie Deutschland verlassen würde. Damals brach für Ulla eine Welt zusammen, weil sie es absolut nicht nachvollziehen konnte. Sie fühlte sich allein und verlassen, verraten von ihrer eigenen Mutter. Das waren schlimme Zeiten, besonders da sich auch schon die Trennung von ihrem ersten Ehemann abzeichnete. Ulla fiel in ein so tiefes Loch, dass sie glaubte dort nie wieder herauskommen zu können. Alles das sagte sie ihrer Mutter aber nicht, sondern behielt es für sich. Sie verabschiedete sich entsprechend kühl und wünschte der Auswanderin viel Glück. Die Wut allerdings brodelte in ihrem Inneren und drohte sie zu zerreißen. Könnte sie doch ihrer Mutter einmal alles um die Ohren hauen, das wäre bestimmt eine Erleichterung. Aber da Kate ja an sich keine schlechte Mutter gewesen war, brachte Ulla es einfach nicht übers Herz. Dabei drohte ihr Herz zu zerbrechen, es war fatal und schien keinen Ausweg zu geben. Wie sich im Laufe der Zeit zeigte, war das Gott sei Dank ein Irrtum. Heute betrachtete sie die Dinge aus einer anderen Perspektive und hatte Verständnis für ihre Mutter, die es ja schließlich auch nie leicht gehabt hatte. Die Dinge waren eben nicht immer so einfach, wie sie einem erschienen. Und nun noch zum Hörer greifen, die Nummer wählen und abwarten. In Texas war es jetzt später Vormittag, sie hoffte ihre Mutter erreichen zu können. Und es klappte tatsächlich, Ulla fasste es kaum. Jetzt gab es kein zurück mehr.

 

Hallo Mama, hier bin ich, Ulla, deine Tochter.“ Kate fiel vor Schreck fast das Telefon aud der Hand, aber die Freude über den Anruf ihrer Tochter überwog bei Weitem alles, was sie sich für den heutigen Tag vorgestellt hatte. Manchmal werden Gebete erhört und der Tag leuchtet so hell, dass man fast geblendet, wird. Kate konnte es nicht glauben, aber ihre Tochter fand endlich wieder den Weg zu ihr. Welche Freude. Sie würde alles tun, um Ulla nicht zu verscheuchen.

 

Hallo mein Schatz, wie schön, dass du dich meldest. Ich freue mich wirklich total.“ Was dann folgte war für beide kaum zu fassen, so vertraut und doch auch so fremd, tasteten sich die Frauen vorwärts. Jede war besorgt, die Andere nicht zu verletzten, denn es gab ja genug Vorwürfe, die in der Luft lagen. Beide merkten jedoch, dass es ein guter Anfang war und sie eine zweite Chance hatte. Mehr konnte man erst mal nicht verlangen.

 

 

Es waren ein paar Wochen vergangen und Isabels Geburtstag stand vor der Tür. Sie wollte alle ihre Freunde aus dem Kindergarten einladen und das war an sich die ganze Gruppe, also dreiundzwanzig Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren. Das ging natürlich beim besten Willen nicht, denn obschon ihre Wohnung großzügig geschnitten war und das Wohnzimmer samt Essecke zirka dreißig Quadratmeter maß, so eine Horde wollte Ulla sich dann doch nicht antun. Also musste sie mit Isa gemeinsam eine Auswahl treffen, sie ahnte Schlimmes.

 

Nein Mama, auf gar keinen Fall. Das sind alles meine Freunde. Und Karola auch, die muss auch kommen.“ Karola war die Erzieherin der Gruppe, eine junge und sehr aufgeschlossene Frau. Ulla mochte sie sehr und nahm sich vor, mit ihr über den Geburtstag zu sprechen. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, am Nachmittag im Kindergarten zu feiern. Ulla griff zum Hörer und rief die freundliche Erzieherin an.

 

Das ist doch überhaupt kein Problem Frau Wagner, am Nachmittag steht der Kindergarten ja sowieso leer. Ich spreche das gleich morgen früh ab, wird schon klappen. Ich mache das gerne für Isabel, sie ist doch unser Sonnenschein.“ Ulla erzählte Isa erstmal nichts von diesem Gespräch, denn wenn es nicht klappen sollte, wäre alles noch schlimmer als vorher.

 

Als Ulla ihre Tochter am nächsten Morgen am Kindergarten absetzen wollte, lief ihr schon Karola entgegen.

 

Alles klar Frau Wagner, die Feier kann hier stattfinden. Hoffentlich freut sich unser Geburtstagskind. Immerhin wird sie ja nun vier Jahre alt. Meine Güte, wie die Zeit vergeht.“ Die beiden Frauen fielen in ein herzhaftes Lachen ein und Isa guckte etwas verdutzt aus der Wäsche. Ulla gab ihr noch schnell einen Kuss zum Abschied, nicht ohne ihr zu verraten, dass sie heute Nachmittag mit einer Überraschung rechnen dürfe. Das fand Isa ja nun total spannend, Überraschungen waren immer klasse. Das wusste sie aus Erfahrung. Ulla schwang sich wieder auf ihr Rad und fuhr in den Supermarkt, um ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. Für ihre Nachbarin Frau Berg sollte sie Milch, Brot, Eier und Butter mitbringen, was sie gerne erledigte. Mit doch wieder viel mehr als geplant, radelte Ulla heim. Beide Körbe am Rad waren prall gefüllt mit Lebensmitteln. Dabei wollte sie doch nur ein paar Kleinigkeiten besorgen, immer die gleiche Geschichte.

 

Hallo Frau Berg, hier bringe ich ihnen das Bestellte. Hat etwas länger gedauert heute.“

 

Danke dir Ulla, das macht doch nichts. Wenn ich von etwas mehr als genug habe, dann Zeit. Das ist der Vorteil des Alters. Und bis zum Nachmittag sind die Plätzchen eh fertig. Vielleicht mag Isabel ja später mal bei mir hereinschauen? Ich hab die Kleine schon ein paar Tage nicht gesehen.“ Die beiden Frauen unterhielten sich noch eine Weile, dann machte Ulla sich auf den Weg nach oben in die zweite Etage. Über ihnen war nur noch der Trockenboden, der auch teilweise als Abstellraum benutzt wurde. Ulla würde gerne unten wohnen, denn dort gab es einen direkten Zugang zum Garten. Aber das Leben war nun mal kein Wunschkonzert und sie waren damals sehr froh, überhaupt im schönen Winterhude eine so tolle Wohnung gefunden zu haben. Manchmal, wenn Ulla bei Frau Berg, auf deren Terrasse saß, Tee mit ihr trank und die wunderbaren Plätzchen genoss, kam eine liebgewonne Sehnsucht in ihr hoch. Es war ein befremdliches, wenngleich auch schönes Gefühl. Irgendwie unbeschreiblich, jedenfall konnte Ulla es nicht in Worte fassen. Sie war sehr froh, ihre liebe Nachbarin zu haben, und im Laufe der letzten Jahre war sie ihr eine Freundin der besonderen Art geworden. Abgesehen davon, dass sie ein supertolle Ersatzoma für Isabel abgab. Die Kleine liebte ihre „Tante Berg“ über alles, nicht nur wegen der Kekse und Geschichten. Ulla musste wieder an ihren damaligen Traum denken, in dem Frau Berg eine Schlüsselrolle gespielt hatte. Es war immer wieder erstaunlich für Ulla, wahrscheinlich auch für andere Menschen, wie sich die Realität mit dem Wunschdenken und dem Erlebten im Traum verbanden. Frau Berg im Erdgeschoss mit ihrer Terrasse zum Garten hatte Ulla in ihrem Traum verbunden mit dem Wunsch nach dem Leben im Grünen. Lachen musste sie über die Harfe, die sie ihrer Nachbarin im Traum angedichtet hatte, dabei spielte Frau Berg überhaupt kein Instrument. Wobei, sie war füher Sängerin gewesen, vielleicht war das die Verbindung. Und Geschichten erzählen konnte diese Dame, es war ein Hochgenuss, ihr zu lauschen. Ulla hatte schon viele Male schweigend zugehört, wenn die Erzählerin aus ihrem unermesslichen Schatz der unterschiedlichsten Geschichten schöpfte. Es war für jeden etwas dabei und Frau Berg machte selbst das Alltägliche so spannend, dass man an sich nie genug bekam. Ulla wurde wieder einmal vor Augen geführt, was für ein Glück sie hatte mit Allem, was sie umgab. War es da ein Wunder, dass sie mit einem Umzug aufs Land haderte? Sie selbst schüttelte bei diesem Gedanken den Kopf. Nein, das war kein Wunder, das würde wohl jedem so ergehen. Warum konnte sie nicht einfach mit dem, was sie hatte zufrieden sein? Warum musste sich überhaupt etwas ändern? In diesen Gedanken verloren machte sich Ulla über das Mittagessen her, denn bald würde ihre Familie danach verlangen.

 

Es war schön später Nachmittag, als Isabel zu einem Besuch bei Frau Berg aufbrach. Zuvor hatte sie noch auf der großen Wiese neben dem Kindergarten einen bunten Strauß Blumen gepflückt. Ulla musste aus diesem Grunde etwas warten und hatte ein bisschen Sorge um das Mittagessen. Aber es konnte ja nichts passieren, der Herd war ausgeschaltet. War er doch? Ulla bat Isabel sich zu beeilen, sicher war sicher.

 

Mama, du bist doch nicht traurig, dass die Blumen für Frau Berg sind? Morgen pflücke ich welche für dich, versprochen.“ Ulla hätte ihre Kleine auf der Stelle knuddeln können, wäre nicht das Fahrrad gewesen, dessen Ständer keinen festen Stand versprach. Tom wollte es schon so lange reparieren, aber sie würde wohl zu Paul in die Werkstatt fahren müssen. Tom hatte einfach keine Zeit und sie würde nicht warten, bis das Rad eines Tages doch noch umkippte und mehr kaputt ging. Ulla versicherte ihre Tochter nicht traurig zu sein und hievte sie auf den kleinen Sattel hinter dem Lenker. Als das geschafft war, konnten sie endlich nach Hause fahren und Ulla stellte zufrieden fest, dass der Herd ausgeschaltet war.

Isa stieg die Treppen herunter und klingelte an Frau Bergs Haustür. Es dauerte einen Augenblick, bis die alte Dame an der Tür erschien.

 

Wie schön, guten Tag Isabel, ich freue mich sehr, dass du mich besuchst. Tritt bitte ein, ich gieße uns gleich einen Tee auf. Und was für schöne Blumen. Sind die etwas für mich?“ Isa bejahte und reichte der Nachbarin den bunten Strauß.

 

Die habe ich selbst gepflückt und extra für dich.“ Mit stolzgeschwellter Brust plapperte die Kleine weiter und erzählte vom anstehendem Geburtstag, den sie alle im Kindergarten feiern würden. Frau Berg sei auch herzlichst eingeladen, das sei ja wohl klar. Diese bedankte sich und schmunzelte in sich hinein. Was für ein zauberhaftes Kind die Kleine doch war und schon so gewandt für ihre vier Jahre. Die alte Dame war sehr glücklich über die Besuche der kleinen Nachbarin, so hatte sie etwas Abwechslung in ihren sonst sehr strukturiertem Alltag. Nicht, dass sie sich langweilte, nein, so etwas kannte Frau Berg nicht. Nach dem frühen Tod ihres Ehemannes hatte sie sich arrangiert und ihr Leben neu eingerichtet. Sie besuchte zweimal wöchentlich die Seniorentagesstätte zum Mittagessen, anschließend wurde Canasta gespielt. Außerdem ging sie noch manchmal in die Kirche zu den Chorproben, obwohl sie aktiv nicht mehr an den Konzerten teilnahm. Die früher schöne, kräftige und helle Sopranstimme wollte nicht mehr. Und bevor die alte Dame sich blamierte, hatte sie lieber freiwillig aufgehört. Aber den Kontakt hatte sie behalten. Zu einigen Gelegenheiten brachte sie ihre fantastischen Plätzchen mit, an denen sich alle nicht genug sattessen konnten. Die schmeckten aber auch! Isabel warf auch schon einen Blick auf die große Schale, die mittig auf dem Stubentisch stand. Aber sie wartete natürlich, bis sie aufgefordert wurde.

 

So meine Kleine, jetzt ist der frische Pfefferminztee fertig, mit Honig und Zitrone, so wie wir ihn beide am liebsten mögen. Und lass dir bitte die Kekse schmecken, ich habe gerade heute Vormittag frische gebacken.“ Das ließ sich die Kleine nicht zwei Mal sagen und schwupp!, schon war von einem Schokoladenkringel abgebissen. Frau Berg sah amüsiert zu, wie ihre kleine Freundin den Keks mit Genuss verzehrte und erfreute sich daran.

 

Tante Berg, hast du eine Geschichte für mich?“

 

Aber ja meine Süße, für dich hab ich doch immer eine parat, das weißt du doch. Komm hier zu mir aufs Sofa, dann ist es gemütlicher.“ Isa rutschte vom Sessel und hüpfte auf das Sofa. Sie nahm sich noch einen Keks, dann konnte es losgehen. Frau Berg begann zu erzählen.

 

 

...aber das ist dann eine andere Geschichte...Fortsetzung folgt. ☼

 

 

 

 

 

TAGTRÄUME , Band 1

 

 NICHT DER ANFANG,

ABER DER ANFANG VON ALLEM ...

 

 

Lieselotte Berg setzte einen Kessel mit Wasser auf ihren alten Kohleherd. Sie freute sich schon sehr auf ihren frischen Brennnesseltee, mit ein bisschen Zitronenmelisse und einem Blatt Salbei. Alles aus ihrem eigenen Kräutergarten, auf den sie ziemlich stolz war. Sie wusste, dass es ihr nach einer Tasse Tee wieder besser gehen würde. Das war schon ihr ganzes Leben lang so gewesen und sie konnte sich kaum erinnern, mal etwas anderes getrunken zu haben. Früher wurde sie oft ausgelacht, weil sie Kaffee nicht anrührte. Sie mochte ihn einfach nicht. „Brr“, sprach sie mit sich, „weiß echt nicht, was die Leute an dem bitteren Zeug finden“. Ja, Lieselotte Berg, oder Lotte, wie sie alle nannten, war schon immer etwas gegen den Strom geschwommen und hatte ihr Leben so gelebt, wie sie es für richtig hielt. Nun war sie über neunzig und würde es bestimmt nicht mehr ändern. Sie hatte vieles erlebt, fast ein Jahrhundert war inzwischen vergangen und der technische Fortschritt ließ sich nicht aufhalten. Das erste Automobil und die Erfindung des Telefons waren eine ganz große Sache.

Der Krieg und das persönliche Leid hatten sie sehr geprägt. Der schwere Verlust ihres Ehemannes während des Krieges hätte sie fast aus der Bahn geworfen. Es war eine harte Zeit für Lotte, aber das Leben musste ja weiter gehen. Sie war ihm bis heute treu geblieben und sprach jeden Tag mit ihm, so war er immer bei ihr.

Der technische Fortschritt hielt die Menschen in Atem. Der erste bemannte Flug auf den Mond, der Einzug der Computer in die Wohnzimmer und die Erfindung des mobilen Telefons. Lotte ließ es Revue passieren und war immer wieder erstaunt, wie die Welt sich ständig wandelte. Sie selbst war auch immer mit der Zeit gegangen, sogar ein mobiles Telefon nannte sie ihr eigen, konnte aber wegen der nachlassenden Hörfähigkeit nur noch selten Gebrauch davon machen. Und diese kurzen Mitteilungen schreiben, tja, das ging leider auch nicht wegen der schlechten Augen. Außerdem hätte sie auch gar nicht gewusst, mit wem sie sich schreiben sollte. Ihre Schwester in der Schweiz, die Gerlinde, wollte von diesem „neumodischen Kram“ nichts wissen. Festnetztelefon oder Brief, das war ihre Devise. Sie hatte noch ein paar Freunde, aber die waren auch nicht zu begeistern. Selbst die Jüngeren, so um die achtzig, wie ihr guter Freund Theo, konnten dem nichts abgewinnen. Aber zu einer guten Partie Schach war er immer bereit, das war viel wichtiger für Lotte, denn sie hatte sonst keinen gleichwertigen Partner. Sie schmunzelte bei diesem Gedanken. Den Theo würde sie bestimmt in der Schweiz vermissen. Sie hoffte er käme sie besuchen, aber so wirklich glaubte sie nicht daran. Theo hatte ein erfülltes Leben mit Kindern, Enkeln und Urenkeln, er war freundlich und großzügig und wurde von seiner Familie sehr geliebt. Vielleicht würde er sie gar nicht vermissen, wer wusste das schon. Lotte jedenfalls war schon froh, sich jetzt entschieden zu haben. Nächsten Monat fuhr sie in die Schweiz und würde dort mit ihrer Schwester Gerlinde den Lebensabend verbringen. „Wie sich das anhört“, Lotte schmunzelte in sich hinein.

Plötzlich gab der Wasserkessel ein lautes Pfeifen von sich. Die alte Dame füllte sofort das sprudelnde Wasser in die Kanne und ließ den Tee bedeckt ziehen. Genau elf Minuten. Das musste so sein. Während dieser Zeit verfiel sie wieder in Gedanken und war glücklich, dass ihre Schwester auch einen kleinen Kräutergarten hatte, auf solch einen zu verzichten wäre sehr schlimm für Lotte gewesen. Sie war zwar soweit fit und konnte sich, trotz ihrer fast zweiundneunzig Jahre, noch gut auf neue Situationen einstellen, aber ihre Kräuter waren ein wichtiger Teil in ihrem Leben, den sie nicht missen wollte. Gerlinde hatte ein schönes Haus und einen großen Garten, da würde genug Platz für alle ihre Vorhaben sein. Natürlich gab es eine Gärtnerin, denn obwohl ihre Schwester zehn Jahre jünger war, konnte auch sie nicht mehr so recht mit allem allein fertig werden. Zu zweit würden sie es aber bestimmt schaffen, da waren die Schwestern einer Meinung. Lotte nahm nur ihre persönlichen Sachen mit und ein paar kleinere Möbelstücke, die ihr im Laufe der Jahre ans Herz gewachsen waren. Und natürlich ihre Harfe, die musste auf alle Fälle mit. Platz genug gab es ja in ihrem neuen kleinen Reich. Gerlinde hatte für sie zwei Räume in der unteren Etage vorbereitet, mit einem Bad und einer kleinen Küche. Mehr brauchte Lotte wirklich nicht. Sie war sehr zufrieden. Ihre großen Möbel ließ sie hier, sollten die jungen Leute damit machen, was sie wollten. Ach ja, was war das doch für eine nette junge Familie, sie war glücklich, dass es so schnell gegangen war. Gleich nach Veröffentlichung der Anzeige, die ihr Freund Theo für sie aufgegeben hatte, meldete sich diese junge Frau. Die Stimme war Lotte gleich sympathisch und so einigten sie sich sofort auf einen Termin. Eine Familie mit zwei Kindern, besser konnte es doch nicht kommen! Wie schön, wenn die Kleinen im Garten spielten, eine sehr angenehme Vorstellung für Lotte. Sie selbst hatte zwar nie Kinder bekommen, aber sie liebte sie von Herzen. Nur so konnte sie gehen, mit der Gewissheit, alles Wichtige in ihrem Leben in gute Hände zu legen. Ihr Tee war nun gezogen und sie schenkte sich bedächtig eine Tasse ein. Wie das duftete! Lotte freute sich wie ein kleines Kind, sie genoss das feine Aroma und probierte gleich ein Schlückchen. Er war aber noch viel zu heiß, also setzte sie sich gemütlich in ihren Lieblingssessel aus spanischem Bambus und nahm sich den letzten Brief ihrer Schwester vor. Sie hatte ihn schon oft gelesen und würde es bestimmt auch noch weitere Male tun. Er war voller Vorfreude auf die kommende Zeit, Gerlinde hatte schon einiges geplant. Ihre Schwester war schon immer eine „Macherin“ gewesen, Planung und Durchführung gingen Hand in Hand. Wenn es auch in den letzten Jahren sicher etwas nachgelassen hatte, neuen Projekten stand sie nach wie vor aufgeschlossen gegenüber. Das Übersiedeln ihrer Schwester war ihr natürlich besonders willkommen. Gerlindes Ehemann war vor ein paar Jahren gestorben, die erwachsenen Kinder und Enkel lebten im Ausland. „In alle Welt verstreut“, wie sie zu sagen beliebte. Ihre Tochter lebte mit ihrer Familie in New York und ihr Sohn war glücklich in Australien gelandet. Dort hatte er vor Jahren eine Surfschule gegründet, die jetzt sein Sohn übernommen hatte. Allen ging es ausgezeichnet, und vielleicht würde Gerlinde sogar bald Urgroßmutter werden, das freute sie schon. Aber hier in der Schweiz war auch sie alleine und freute sich riesig, dass ihre Schwester nun endlich auf ihrem Vorschlag eingegangen war. Was hatte sie nicht alles vorbringen müssen, um Lotte zu überzeugen.

Am Ende zahlte sich ihre Hartnäckigkeit aus, nur das war letztlich wichtig. Lotte wiegte den Brief in ihren Händen und trank nun den Tee, der jetzt die richtige Temperatur hatte.

 

Aus "TAGTRÄUME" von Jutta Pratsch

 

 

 

 

ZWISCHEN SOUTERRAIN UND PENTHOUSE

EINE EMPEHLUNG VON MIR:

 

ANGELIKA WECKBACH

"ZWISCHEN SOUTERRAIN UND PENTHOUSE"


Erlebte Kurzgeschichten einer Maklerin, lustige, nachdenklich aber auch traurige.
Als Buch zu bestellen über info@immobilienhaus.de 11,95 EURO zuzüglich Versankosten.

 

 

 

 

 

LEWYN DIE HALBELBIN  ... von Cornelia Sandrock

 

(... ein kleiner Auszug aus Bd.1)

 

Der Weise schrie auf. Er wurde von etwas gepackt, was ihn unter die Oberfläche ziehen wollte. Er konnte sich nicht selber helfen. Doch in diesem Augenblick erreichte Lewyn festen Boden. Sie drehte sich um und ließ das Leuchten erstarken. Schrille Schreie zeugten davon, daß sich die dunklen Wesen schon sehr nah befunden hatten. Aber das, was sie hatte bezwecken wollen, erreichte das Mädchen nicht. Wengor blieb Gefangener der Fluten. Sie entledigte sich ihres Gepäcks und sprang zurück in den Fluß, Yar’nael zwischen den Zähnen.  Ein wenig erschöpft kletterte der Rest der Gruppe ans Ufer. Die tanzenden Wasser hatten einiges an Kraft gefordert. Von der Böschung aus beobachteten sie den Kampf.  Die Kriegerin hatte den Ältesten erreicht und konnte ihn durch mehrere Schläge des Schwertes aus der Umklammerung seines Gegners befreien. Sie schickte ihn hinter sich in den Abschnitt des Flusses zurück, der noch von Helligkeit durchzogen wurde. Dann hatte sie sich selbst derber Angriffe zu erwehren. Die Freunde konnte beobachten, wie das Schwert der Elben immer wieder zustach. Schließlich lösten sich auch die beiden Dreiklingenschwerter. Während diese für die Vernichtung der unheimlichen Feinde sorgten, zog sich die junge Frau in Richtung Ufer zurück. Das Licht war unterdessen erloschen. Und so gab sich die Grenze zu den Wäldern auch noch nicht geschlagen. Das Wasser begann stärker zu tanzen und sich aufzutürmen. Hohe Wellen schlugen über ihr zusammen. Und dann hatte sie auch noch gegen die Kräfte eines Strudels zu kämpfen. Doch letztendlich konnte sie sich daraus befreien.

„In der vergangenen Nacht waren die Fluten um einiges leichter zu bändigen.“ „Da wußte die gegnerische Seite nicht, daß es die Erbin der Macht war, die es zu bekämpfen galt. Ich fürchte, unser Weg wird nun noch schwieriger, als er ohnehin schon war.“ „Das fürchte ich auch. Seht nur, der Fluß zieht in den Wald.“ Lheassa hatte den gerade überstandenen Feind nicht aus den Augen gelassen und als erster erkennen müssen, daß sich das Ufer zu den Bäumen hin öffnete. An mehreren Stellen zogen kleinere Rinnsale, die stetig wuchsen, in das Dickicht. Der Waldboden stand schnell unter Wasser. Und da das Mädchen und die Männer wußten, welch Schrecken in ihm wohnte, waren sie nicht gerade angetan von diesem Umstand. Wieder mußten sie sich etwas einfallen lassen.  „Dann eben über die Bäume.“ „Die sind krank. Jetzt wissen wir auch warum. Jedenfalls glaube ich nicht, daß sie stark genug sind, uns zu halten.“ „Nun Therani, jetzt ist es zu spät, um ans fasten zu denken.“ Regos strich sich genüßlich über den Bauch und grinste dem Freund entgegen. „Wie könnt ihr in solch einer Situation nur noch Späße machen?! Ich finde es hier äußerst beunruhigend, keineswegs aber lustig.“ „Ach Wengor. Du solltest uns mal in Höchstform erleben. Thyror hätte dir gefallen. Dort hatten wir so richtig Spaß. Aber ich glaube, dieser Nebelwald hier wird uns ebenfalls noch viel Freude bereiten. Sei nicht so verkrampft alter Freund, dann fällt das Denken leichter.“ „ Wo ist Lewyn?“ „Du schaust in die falsche Richtung. Sie steckt schon in den Bäumen.“ „Kunststück. Sie ist wahrscheinlich nicht einmal halb so schwer wie ich.“ „Redet nicht so viel. Nehmt die Seile zu Hilfe und beeilt euch. Wenn ihr allerdings als Frühstück enden wollt, dann wartet noch einen Moment.“ Sie befestigte einen Strick am Ast und ließ den nun nach unten. Gleich darauf hatte sie auch schon wieder ihren Bogen gespannt. Aus den Wäldern und über das Wasser kamen mehrere der großen Raubtiere auf sie zu, die Therani und Nirek am Tag ihres Zusammentreffens gejagt hatten. Das war der Augenblick, indem die Männer sich ebenfalls schnell in die Bäume begaben. Sie hatten kein Verlangen danach, als Zielscheibe für die giftigen Stachel herzuhalten. „Zumindest hat man einen vernünftigen Ausblick von hier oben.  Kannst du erkennen, in welche Richtung uns unser Weg führt?“ „Wo ist es am dunkelsten und wo scheint ein Weiterkommen kaum möglich? Nun, das ist unser Ziel.“ Soh’Hmil richtete seinen Blick in das Dickicht und versuchte die Richtung herauszufinden, der sie folgen mußten. „Weg ist wohl etwas weit hergeholt. Der aufsteigende Nebel nimmt einem ja fast jede Sicht.“ „Dann sollten wir zusehen, daß wir schön zusammenbleiben. Therani, Nirek. Wir nehmen euch in die Mitte, denn ihr beide werdet bald gar nichts mehr erkennen können.“ „Erst muß ich feststellen, daß ich etwas stramm geraten bin für diese Kletterei und nun muß ich hier auch noch blind durch. Aber was jammere ich denn? Ich wollte es doch so.“ Ein sehr skeptischer Blick auf die Äste zu seinen Füßen folgte.  Therani war keineswegs dick, aber er war unter den Menschen einer der Größten. Nirek war nicht viel kleiner und hatte sicher auch nicht weniger Muskelmasse. So fürchteten beide, daß ihr Höhenausflug unsanft in den schwarzen Wassern enden konnte.

 

Cornelia Sandrock ist auf facebook zu finden, dort kann man per PN auch ihre Bücher erwerben. https://www.facebook.com/cornelia.sandrock